15 January 2013

Das Urteil - Teil 9

Teil 9 der mündlichen Urteilsverkündung

Richter: Nun zur rechtlichen Bewertung: Sie sind verurteilt wegen des gemeinschaftlichen Angriffs auf den Seeverkehr und vollendeten erpresserischen Menschenraubs.  Für den ursprünglichen Tatbestand der Schiffssabotage werden Sie nicht verurteilt, weil dazu der eigentliche Sinn und Zweck des Angriffs die Beschädigung oder Zerstörung gewesen wäre. Natürlich ist was kaputt gegangen, aber das war nicht das Ziel, sondern nur eine Nebenfolge.

Der erpresserische Menschenraub ist aus unserer Sicht vollendet und nicht nur versucht. Sie hatten die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Besatzung. Auch wenn es ihr gelungen war sich zu  verstecken, war sie Ihnen hilflos ausgeliefert. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, wenn Sie sie gefunden hätten, sie mit zum Beispiel dem Granatwerfer aus dem Sicherheitsraum herauszuholen. Es wäre dann möglich gewesen, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit zu bestimmen. Auch aus Sicht der Mannschaft hat sie sich in Ihrer Gewalt gefühlt. Sie hat Ihre Ermächtigung schon gespürt. Sie wusste, sie war in der Hand von Piraten. Sie konnte Sie sogar hören.  Auf Anweisung von Kapitän Eggers mussten sie sich still auf den Boden legen. Das war nicht nur ein Versuch, sondern erpresserischer Menschenraub.


Ich schätze, dass ich noch eine Dreiviertelstunde brauche. Das ist aber auch wichtig nach zwei Jahren Prozess, welchen Umfang die Erwägungen haben.

Die Tat war nicht nur versucht, sondern vollendet.

Wir haben nicht feststellen können, dass es einen Abschuss der Panzerfaust gegeben hat. Die Brücke wurde mit Kalaschnikows beschossen. Das Ziel war, die Mannschaft unversehrt als Geiseln zu nehmen. Ein Tötungsdelikt, bzw. der Versuch eines Tötungsdelikts war es deswegen nicht. Dann wäre es vors Schwurgericht gekommen. Vieles lässt sich hier nicht feststellen, aber es war keine Situation, die uns zu der Auffassung gebracht hätte, dass irgendwer in rechtfertigendem Notstand gehandelt hätte.

Bei Ihnen, Herr AM, CM, AKD und AA haben wir die Notlage nicht als erwiesen angesehen, das Ganze gilt auch für die schwierigen Umstände in Somalia. Die Auffassung, es gibt dort keine andere Alternativen, ist nicht zwingend.

Warum nun gibt es Unterschiede in der Strafzumessung?

Es handelt sich um sieben Erwachsene.

Der Strafrahmen beträgt fünf bis fünfzehn Jahre. Wir mussten uns fragen: Liegen hier minder schwere Fälle vor? Das haben wir verneint. Wir sehen auch nicht, dass Strafmilderndes gegenüber Straf-verschärfendem das Übergewicht hätte.

Es geht um die Schwere der Bewaffnung. Drei Seeleute befanden sich in akuter Lebensgefahr, insgesamt waren 15 Personen betroffen. Die kriminelle Energie war sehr hoch. Sie waren eingegliedert in eine kriminelle Gesamtorganisation.

Es handelt sich nicht um Subsistenzpiraterie. Wenn es Lösegeld gegeben hätte, hätten nicht nur Sie, sondern auch die Hinterleute profitiert.

Es hat Schäden gegeben. Dann der Wert des Schiffes. Es handelt sich um zwei Verbrechen.

Aber strafmildernd ist die Situation in Somalia. Dort herrscht Bürgerkrieg. Die Sachverständigen haben von einer Kultur der Gewalt gesprochen. Wir sind nicht auf Ihre persönliche Geschichte eingegangen. Das wird schriftlich ausführlicher geschehen. Aber sie ist bei keinem zu widerlegen. Dies gilt übrigens auch für die Clanzugehörigkeit. Die Situation in Somalia führt natürlich zu großer Versuchung.

Die Rechtfertigungsideologie von der Überfischung kommt 2010 nicht mehr unmittelbar, aber strafmildernd in Betracht. Es handelt sich um eine Art Selbsthilfe des somalischen Volkes. Sie waren auch keine Hintermänner. Die Mannschaft war nur kurze Zeit in Ihrer Hand.

Ich bedaure jetzt doch, dass nur die Zeugen Sukoverkov und Eggers berichtet haben. Wenn ich gewusst hätte, dass das Verfahren so lange dauert, hätte ich die komplette Mannschaft geladen.

Durch Ihre Verbringung nach Europa sind Sie von Ihren Familien getrennt worden. Sie sind deshalb besonders strafempfindlich aufgrund der Ferne zu Ihrer Heimat. Vor diesem Hintergrund und weil wir bei Ihnen von einer geringeren Lebenserwartung ausgehen können als bei Gefangenen hier in Europa ist die Strafe niedriger ausgefallen.