10 January 2013

Das Urteil - Teil 8

Teil 8 der mündlichen Urteilsverkündung

Richter: Und nun möchte ich etwas sagen zu den Verfahrenshindernissen, die hier immer wieder genannt worden sind: Dieses Gericht, alle Richter, beisitzenden Richter und auch mit den Schöffen hat nie daran gezweifelt, dass auf den Fall hier deutsches Strafrecht Anwendung finden muss. Zwei deutsche Seeleute sind Opfer einer Straftat. Hier gilt das passive Personalitätsprinzip. Die Taipan fuhr unter deutscher Flagge, da gilt das deutsche Strafrecht. Und es geht um den Schutz des internationalen Seeverkehrs vor Piraterie. Da gilt auch für die Beurteilung deutschen Rechts das Weltrechtsprinzip. Die Taipan gehört einer Hamburger Reederei. Auch sonst sind Hamburger Gerichte zuständig, wenn auf Hoher See eine Straftat begangen wird. Ich habe immer wieder gehört, dass doch der Internationale Seegerichtshof dafür zuständig sei. Aber der hat dafür keinerlei Kompetenz. Der ist zuständig für Streitigkeiten über Schiffe oder Streitigkeiten um Rohstoffe auf dem Meeresboden. Er hat nicht die Befugnis erhalten, Straftäter zu verurteilen oder Verdächtige zu befragen. Es gibt ja auch keinen Internationalen Gerichtshof für Drogen, oder einen Internationalen Gerichtshof für Menschenhandel, oder für Kinderpornografie.


Dann zu dem Argument, es sei besser, dass ortsnahe Prozesse stattfinden. Das ist völlig unrealistisch. Somalia hat keine funktionierende Justiz. Jedes Land, das von Piraterie betroffen ist, ist zuständig. Diese Kammer ist an Recht und Gesetz gebunden. Eine Ablehnung des Verfahrens wäre überhaupt nicht denkbar gewesen, aber auch nicht die juristische Seite. Vonseiten der Verteidiger wurden immer wieder Zweifel an diesem Prozess geäußert. Es wurde gesagt, die Angeklagten wären einem Verfahren unterworfen worden, das sie nicht verstehen, worunter sie sich nichts vorstellen können. Der Prozess führe nicht dazu, dass das Problem der Piraterie zu lösen sei.

Diese Angriffe gehen alle ins Leere. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts besteht auch über das Bundesgebiet hinaus. Auch auf internationaler Ebene müssen wir die Sicherheit des Seeverkehrs schützen. Dies gebietet auch das Internationale Seerechtsübereinkommen, das damals übrigens auch vom damaligen Staat Somalia unterzeichnet wurde. Wir gehen davon aus, dass es vorhersehbar ist, dass der Akt der Piraterie Strafverfolgung nach sich ziehen kann. Auch wenn der Staat verfallen ist. Der Bevölkerung ist bekannt, dass Piraterie strafbar ist. Der Sachverständige Dr. Hansen hat gesagt, dass es aufgrund dessen Verurteilungen gegeben hat und dass das Wertesystem des Islam nicht damit übereinstimmt. Piraterie ist unislamisch.

Es ist richtig, dass die Festnahmen weit weg von Ihrer Heimat stattfinden. Es ist aber nicht richtig, dass man Sie hierher verschleppt hat. Dem muss ich ausdrücklich widersprechen. Sie haben sich freiwillig in den Bereich internationalen Seeverkehrs begeben. Selbstverständlich mussten Sie darum damit rechnen, dass Sie festgenommen werden.

Auch uns ist natürlich bewusst, dass keine Person, die in Somalia im Elend lebt, abgeschreckt wird von Gefängnisstrafen. Aber die heute verhängte erhebliche Strafe hängt zunächst von persönlicher Schuld ab. Im Erwachsenenstrafrecht besonders, aber auch im Jugendrecht. Auf generalpräventive Aspekte kommt es nicht an. Es geht hier um die Frage des Schuldausgleichs. Wir können nicht zulassen, dass 15 Personen auf der Taipan als Geiseln festgehalten werden.

Die vorgebrachten Verfahrenshindernisse waren schon Bestandteil vieler Beschlüsse der Kammer. Die rechtliche Bewertung gibt es nicht her, dass es ein Hindernis gibt, hier ein Urteil zu sprechen. Die Festnahme durch die niederländische Marine war im Einklang mit dem Völkerrecht. Aus Artikel fünf der Menschenrechtskonvention ergibt sich die Pflicht, Festgenommene unverzüglich dem Richter vorzuführen. Hier wurde diese Pflicht nicht verletzt. Auf der Tromp waren kein niederländischer oder deutscher Richter vorhanden. Es ist aber nach dem Grundsatz größtmöglicher Beschleunigung vorgegangen worden. Auch die Auslieferung an Deutschland ist  völlig beanstandungsfrei gelaufen.