Teil 12 und Ende der mündlichen Urteilsverkündung - wir warten immer noch auf die schriftliche Urteilsbegründung...
The final instalment of the judges verdict and sentencing - we are still waiting for the written version...
Richter: Und jetzt der letzte Abschnitt: Grundsätzliches zum Verfahren.
Es geht ein außergewöhnliches Verfahren zu Ende. Es hat enorme Kosten verursacht. Es ist die ganze Zeit kritisch begleitet worden.
In den Schlussvorträgen haben die Verteidiger gesagt, „Das Verfahren ist grandios gescheitert“. Das Gegenteil ist der Fall! Es hat vielfältige Versuche gegeben, dieses Verfahren zum Scheitern zu bringen. Dieses Verfahren war nicht sinnlos. Es war absolut notwendig. Es geht um die Seeleute aller Nationen und deren Schutz. Es geht um die Freiheit des Seeverkehrs. Allein 2010 sind 220 Schiffe angegriffen worden, davon wurden 60 gekapert. Es geht um die Seeleute. Es geht um die betroffene Reederei. Die Seeleute kommen häufig selber aus ärmeren Ländern. Deshalb ist es genau für diese Seeleute wichtig, dass es Verfahren und ein Gericht gibt, das sich mit der Legitimation beschäftigt.
Ein häufiger Vorwurf war auch: Das Verfahren habe einen politischen Hintergrund. Es diene der Legitimation des Atalanta-Einsatzes, es solle ein Exempel statuiert werden, das Gericht vertrete die Hamburger Reeder.
Es war von Kolonial-, ja, sogar von Feindstrafrecht die Rede. Man unterstellt uns „nachkoloniales Herrschaftsgehabe“.
[Im Zuschauerraum wird applaudiert. Eine Frau wird von Wächtern von ihrem Sitzplatz weggezerrt. Kurz vor dem Ausgang lässt sie sich aber auf eine Bank fallen.]
Richter: Wenn Sie sich ruhig verhalten, dürfen Sie bleiben!
Die Kammer hat in völliger Unabhängigkeit entschieden. Es sind angemessene Strafen. Natürlich kann dieses Verfahren nicht den Zweck haben, die Probleme der Piraterie vor der Küste Somalias zu lösen.
Ja, das Verfahren hat viel zu lange gedauert. 105 Verhandlungstage waren für viele eine enorme Belastung. Zunächst sollte es bis März 2011 gehen.
Das Urteil des Oberlandesgerichts vom 27.August 2011 hat dies auch noch mal klar gemacht. Aber die Verzögerung rührte nicht von der Justiz-Seite, vielmehr ist sie dem Verteidigerverhalten geschuldet. Ich muss mal sagen: Sie haben ein typisches Verteidigerverhalten an den Tag gelegt. Man wartet ab, bis das Gericht alles abgearbeitet hat, dann kommen die Einlassungen, dann die Beweisanträge. Die Frage muss erlaubt sein, wieso Einlassungen, wenn der Angeklagte sagt, er ist unschuldig, nicht gleich zu Beginn gemacht werden? So sind Ihre Beweisanträge erstmals am 42., 46., 56 Verhandlungstag aufgetaucht. Das ist zulässig. Ich frage mich jedoch, ob nicht hier Änderungen möglich wären? Warum sagt ein Angeklagter nicht gleich, dass er unschuldig ist?
Dieses Gericht ist noch über eine ganze Reihe anderer Dinge erstaunt: Den sachverständigen Ärzten im Universitätskrankenhaus wurde der Vorwurf rechtswidriger Körperverletzung gemacht, weil Angeklagte geröntgt wurden.
Kapitän Lodder von der Tromp sollte mit Ordnungsgeld und –haft dazu gebracht werden auszusagen, weil er nicht die Freiheit hatte auszusagen.
Einem der niederländischen Zeugen wurde vorgeworfen, er habe mit seiner Ausführung den Tatbestand des Tötens erfüllt. Das Gericht wurde mehrfach aufgefordert, Schmiergelder zu zahlen um Zeugen aus Somalia laden zu können.
Was wäre hier im Saal los gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft das gesagt hätte?!
Dann wurde das Gericht aufgefordert selber nach Somalia zu fahren. Es sollte sich der Regierung und Leibwächtern unterstellen. Wir wissen, dass der Journalist M. von seinen eigenen Leibwächtern entführt wurde.
Dann verstehe ich nicht, wie man als Pflichtverteidiger gerade mal an 30 von über 100 Verhandlungstagen es für nötig gehalten hat hier zu erscheinen. Selbstverständlich hat das bei der Beurteilung von Ihnen keine Rolle gespielt.
Nun nochmals zum Beschluss: Ja, wir gehen davon aus, dass Sie solange, bis das Urteil rechtskräftig wird, in U-Haft bleiben.
Die Haftbefehle von CM,AKD,AD,YK,TW und AA bleiben nach Maßgabe aufrechterhalten. Es besteht weiter Fluchtgefahr.
Alle zehn Angeklagten sind darüber zu belehren, dass Rechtsmittel der Revision eingelegt werden können. Dazu haben Sie nur eine Woche nach der mündlichen Urteilsverkündung Zeit. Das kann jeder selber tun, natürlich auch die Verteidiger.
Wer nicht lesen und schreiben kann, für den gibt es hier einen Beamten, an den er sich wenden kann und der es für ihn macht. Für die schriftliche Revision haben Sie einen Monat Zeit, nachdem das Urteil schriftlich zugegangen ist. Dazu brauchen Sie einen Anwalt.
Gibt es noch von irgendeiner Seite Erklärungen? Man kann das Urteil auch annehmen. Gibt es etwas zu besprechen?
[SCHWEIGEN]
Richter: Ja dann: Das war alles, was diese Kammer Ihnen zu sagen hat!