We are documenting the judge's sentencing from October 19 in German. This has been made possible by the meticulous work of one of the trial observers who noted down every word said.We might do an English translation at a later stage (the sentencing went on for four hours, so it's a substantial amount of work). The written verdict is expected to be released by the court early next year.
Da die schriftliche Urteilsbegründung erst 2013 erscheinen wird, dokumentieren wir hier die mündliche Urteilsbegründung von Richter Steinmetz am 19.10.12. Dies ist möglich dank der unermüdlichen Arbeit einer Prozessbeobachterin, die Steinmetz' Vortrag mitgeschrieben hat. Trotz grösstmöglicher Sorgfalt kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Worte untergegangen oder missverstanden wurden.
Die Urteilsbegründung dauerte vier Stunden. Wir werden sie daher in kleinen Häppchen veröffentlichen als eine Art Adventskalender, um die Wartezeit auf das schriftliche Urteil zu verkürzen.
105. Verhandlungstag, 19.10.2012, Piratenprozess, Protokoll Teil II: Das Urteil
[Nach einer Pause von 12.00 Uhr bis 14.07 (da kommen die Gefangenen aus ihrem Verlies in den Saal, als Letzter wie immer der „Kronzeuge“) beginnt Richter Steinmetz im Stehen mit der Urteilsverkündung um 14.09 Uhr. Das Gericht, die 10 Angeklagten, die 20 VerteidigerInnen, die zwei Dolmetscher, das heute zahlreich erschienene Publikum und die plötzlich auch wieder zahlreich erschienene Presse bleiben ebenfalls stehen.]
Richter: Im Namen des Volkes ergeht das Urteil gegen die Angeklagten. Sie sind schuldig des Angriffs auf den Seeverkehr und des erpresserischen Menschenraubs.
Angeklagter CM: Die Kammer verurteilt Sie zu sechs Jahren und drei Monaten.
Angeklagter AM: Die Kammer verurteilt Sie zu sieben Jahren.
Angeklagter AS: Die Kammer verurteilt Sie zu zwei Jahren.
Angeklagter AKD: Die Kammer verurteilt Sie zu sieben Jahren
Angeklagter KD: Die Kammer verurteilt Sie zu sechs Jahren.
Angeklagter YK: Die Kammer verurteilt Sie zu sechs Jahren und fünf Monaten.
Angeklagter TW: Die Kammer verurteilt Sie zu sechs Jahren und zehn Monaten.
Angeklagter AA: Die Kammer verurteilt Sie zu sieben Jahren.
Angeklagter AW: Die Kammer verurteilt Sie zu zwei Jahren.
Angeklagter YM: Die Kammer verurteilt Sie zu zwei Jahren.
Die Asservate [er nennt mehrere Nummernblöcke „von… bis“] werden eingezogen. Der Freiheitsentzug in den Niederlanden wird eins zu eins auf die Strafe angerechnet, ebenso die bereits verbüßte U-Haft hier. Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten CM, AM, AKD, KD, YK, TW und AA.
Nehmen Sie, bitte Platz!
[Alle setzen sich]
Richter: So, meine Herren Angeklagten. Das ist der Tenor dessen, was das Gericht für Sie für angemessen hält. Die Begründung erfolgt zunächst mündlich. Sie wird ziemlich umfangreich. Sie wird voraussichtlich mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Nach zwei Stunden etwa werde ich eine Pause machen, damit die Konzentration erhalten bleibt. Ich werde auch, was ich zuvor noch nie gemacht habe, und was, soweit ich weiß, in Hamburg unüblich ist, sagen, wie das Urteil gegliedert ist. Zunächst werde ich etwas sagen zu dem Angriff auf die Taipan, dann etwas zur Situation in Somalia, danach etwas zu den Einlassungen der Angeklagten und zu den Beweisen. Dann werde ich noch auf die deutsche Rechtslage eingehen und die vorgebrachten Gründe für Verfahrenshindernisse und zum Schluss dann noch etwas zur rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens sagen.
Erstens: Sie haben dem Tenor entnommen, dass die Kammer der sicheren Überzeugung ist, dass es sich bei dem bewaffneten Angriff auf die Taipan um eine geplante Tat handelt, dass keiner gezwungen wurde und für jeden von Ihnen eine fest bestimmte Aufgabe da war. Und die Kammer ist der Ansicht, dass Sie alle Kenntnisse der Aufgaben der anderen gehabt haben. Die Kammer geht auch davon aus, dass Ihnen allen der Tatplan, die Planung bekannt war und wie verfahren werden sollte, wenn das Ziel des Angriffs erfolgreich gewesen wäre: Nachdem Sie das Schiff, die Taipan, in Ihre Gewalt gebracht hatten, sollte es nach Somalia gesteuert werden und der Plan war, ein sehr hohes Lösegeld von über einer Million US-Dollar zu erpressen. Jeder von Ihnen erwartete einen Anteil davon, wenn auch zum Teil nur in geringer Höhe. Für sechs von Ihnen hat die Verteidigung einen Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens beantragt. Die Würdigung der Argumente durch die Kammer ergibt dies nicht. Sie alle sind nach Ansicht der Kammer voll strafrechtlich verantwortlich. Ihrer Behauptung, Herr W., sie seien ein dreizehnjähriges Kind zur Tatzeit gewesen, kann die Kammer nicht folgen. Die Altersgutachten ergaben, dass Sie mindestens 18 Jahre alt sind. Sieben von Ihnen sind über einundzwanzig Jahre alt. YM war siebzehn und AS 18 Jahre zur Tatzeit. Sie sind Heranwachsende.