Richter: Und nun zur MV Taipan, MV steht für Motor Vessel. Der Heimathafen der Taipan ist Hamburg. Am 4.April 2010, dem Ostermontag, befand sich die Taipan zwölf Grad nördlicher Breite und sechs Grad östlicher Länge und damit 500 Seemeilen von der somalischen Küste entfernt, mitten im Indischen Ozean. Die Taipan war auf dem Weg von Haifa nach Mombasa, das ist in Kenia.
komischer weise ist auf diese welt karte kein einziges schiff in die nähe von somalia zu sehen http://www.marinetraffic.com |
Es waren vorher schon Schutzmaßnahmen ergriffen worden. Bei einem Angriff sollte die Mannschaft sich in einen verborgenen Schutzraum, einen Sicherheitsraum, die sogenannte Zitadelle, zurückziehen. Das war auch vorher geübt worden. Notrufe waren vorbereitet und Rudermanöver geübt worden, die das Entern verhindern sollten. Es war Stacheldraht angebracht worden, um zu verhindern, dass die Seeräuber an Deck kommen, ebenso Wasserschläuche und Wasserdüsen, mit denen auf die Schnellboote gezielt und sie damit vertrieben werden sollten.
Sie, die zehn Angeklagten, befanden sich zur selben Zeit im selben Seegebiet zwischen Afrika und Indien an Bord der Dhau HudHud. Auf ihr befanden sich zwölf indische Besatzungsmitglieder und sie fuhr unter der Flagge der Komoren. Sie war zuvor gekapert und die Besatzung als Geiseln genommen worden. Das Kommando an Bord hatte Dhaghaweyne, was „der mit den großen Ohren“ heißt. Von dort aus starteten Sie zu dem Angriff auf die Taipan. Die Ausrüstung für den Angriff bestand aus zwei aus Kunststoff bestehenden Booten, sogenannte „Skiffs“, sie wurden von der Dhau HudHud zu Wasser gelassen, zwei Enterleitern, zwei RPGs, sogenannte Panzerfäuste, fünf Schnellfeuergewehren, sogenannte „Kalaschnikows“, zwei Pistolen, zwei Messern, einem Kricketschläger, einem Turaya- Telefon und zwei Nokia-Mobiltelefonen.
Auf Befahl Dhaghaweynes startete der Angriff auf die Taipan von der Dhau HudHud aus. In beiden Skiffs waren jeweils fünf Männer. Wer dabei mit wem in welchem Skiff war, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit gesagt werden. Ebenso wenig kann mit Sicherheit gesagt werden, wer die Kommandogewalt von Dhaghaweyne dann übernommen hat, oder wer welche Waffe hatte. Das alles kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Als die Dhau auftauchte, wurde sie von der Besatzung der Taipan zunächst als unverdächtig eingeschätzt. Dann entdeckte man aber die Wasserlinien der Skiffs. Daraufhin versuchte Kapitän Eggers durch einen Kurswechsel und die Erhöhung der Geschwindigkeit sich nach Süden zu entfernen. Die Skiffs fuhren aber mit ca. zwanzig Knoten auf die Taipan zu, woraufhin an Bord der Taipan Alarm ausgelöst wurde. Von der 15köpfigen Besatzung begaben sich 12 in den Sicherheitsraum. Auf der Brücke blieben nur Kapitän Eggers, der Zweite Offizier Sukoverkov und der Matrose Akmeemane zurück und setzten auch verschiedene Notrufe ab, darunter einen an die Marineeinheit „Atalanta“. Als die Skiffs dennoch die Taipan erreichten, hintereinander und versetzt zueinander mit einem entsprechenden Abstand zwischen sich, feuerte Kapitän Eggers zwei Leuchtraketen ab, die die Schiffe jedoch verfehlten. Sukoverkov betätigte die Schiffshupe. Aber all das half nicht. Vom ersten Skiff aus wurde das Feuer auf die Taipan eröffnet.
Dafür tragen alle zehn die Verantwortung. Wer im Einzelnen womit geschossen hat, weiß die Kammer nicht. Aber dass aus einer Entfernung von ca. 10 Metern in Richtung Taipan – und da besonders Richtung Aufbauten und Brücke geschossen wurde. Mehrere Geschosse durchschlugen die Fenster der Brücke und die Stahlwand. Außerdem wurde noch der Bordcomputer beschädigt. Die auf der Brücke Verbliebenen wussten, dass sie sich in akuter Lebensgefahr befinden. Aber wer da womit geschossen hatte, ließ sich nicht feststellen. Es steht auch fest, dass nicht in der Absicht jemanden zu verletzen oder zu töten geschossen wurde. Die Kammer geht davon aus, dass es den Angreifern nur darum ging die Besatzung einzuschüchtern.
In einem der beiden Skiffs hat einer von Ihnen mit einer Panzerfaust auf die Taipan gezielt, aber ob sie wirklich abgeschossen wurde, konnte nicht bewiesen werden.
Den drei Letzten der Besatzung ist es daraufhin geglückt auch in den Sicherheitsraum zu fliehen. Das Schiff war umgestellt auf Autopilot und fuhr weiter mit Höchstgeschwindigkeit. Nachdem sich alle Mitglieder der Besatzung im Sicherheitsraum befanden, verschlossen sie dessen Stahltür. Ich möchte hier einmal die Liste der gesamten Mannschaft vorlesen, damit die Namen wenigstens einmal alle genannt werden:
[Der Richter nennt die Namen der Besatzungsmitglieder und deren Funktionen. Leider konnten nicht alle Namen mitgeschrieben werden]
Es war ihnen bekannt, dass die niederländische Fregatte „Tromp“ in der Nähe war, man wusste aber nicht, wie lange sie brauchen würde um zu Hilfe zu kommen.
Als die Mannschaft im Sicherheitsraum war, haben Sie die Taipan geentert. Dabei sind die Skiffs mehrfach abgedriftet, eins wäre sogar beinahe gekentert, aber letztlich sind Sie mit der Enterleiter an Bord gekommen. Sie haben dann die Besatzung gesucht und dabei Türen gewaltsam geöffnet. Sie haben auch nach Lebensmitteln gesucht. Dabei waren Sie alle aktiv auf der Taipan. Mindestens einer von Ihnen hat die GPS-Anlage außer Kraft gesetzt, was die Ortung des Schiffes erschwert hat. Mindestens einer von Ihnen muss in der Lage gewesen sein, ein modernes Containerschiff zu steuern. Die Geschwindigkeit wurde ein Mal reduziert, dann wieder erhöht. Die Automatik wurde abgeschaltet und die Handsteuerung eingeschaltet. Wer von Ihnen im Einzelnen dazu fähig gewesen ist, haben wir nicht herausfinden können.
Die Besatzung der Taipan konnte das alles über ein Computerbild verfolgen. Kapitän Eggers hat dann das sogenannte Blackout gemacht. Das betraf auch den Sicherheitsraum. Von da an waren sie dort von der Außenwelt abgeschnitten. Es herrschte eine große Hitze, der danebenliegende Maschinenraum hat auch noch Wärme abgestrahlt. Es gab nur Trinkwasser, sanitäre Anlagen waren keine vorhanden. Die Besatzung wurde dann von Kapitän Eggers angewiesen, sich auf den Boden zu legen und zu schweigen. Die Mannschaft hatte ohne das Wissen des Kapitäns zehn Flaschen mit Treibstoff gefüllt, sogenannte Molotowcocktails, mit denen sie sich in dem Fall, dass sie entdeckt worden wären, verteidigen wollten. Dazu ist es dann nicht gekommen, da die Mannschaft unentdeckt blieb bis zum Eintreffen der niederländischen Marine.
Jetzt komm ich zur Tromp. Sie ist eine königlich niederländische Fregatte im Rahmen der Europäischen Militärmission Atalanta und war ungefähr 50 Seemeilen von der Taipan entfernt. Eigentlich war sie unterwegs um die Dhau HudHud ausfindig zu machen. Das bundesdeutsche Aufklärungsflugzeug vom Typ „Orion“ unterstützte die Tromp dabei in der Luft. Da sich die Taipan außerhalb des Einsatzgebietes von Atalanta befand, erteilte der Kapitän der Tromp, Lodder, einen nationalen Einsatzbefehl, den er von der holländischen Regierung erhalten hatte, nachdem diese Rücksprache mit der deutschen Regierung genommen hatte. Da hatten Sie noch keinen Kontakt zur Mannschaft. Kapitän Lodder hat dann den Einsatz einer Unit Intervention M..(UIM) befohlen. Die HudHud näherte sich erst der Taipan, drehte dann aber ab, also die Piraten, als sie von der Tromp mit drei Schüssen vor den Bug getroffen wurde. Das heißt, Ihr Anführer Dhaghaweyne hat Sie Ihrem Schicksal überlassen! Die Tromp umrundetet die Taipan zwei bis dreimal, zunächst außerhalb der Reichweite der Waffen. Man hat besonders starke Lautsprecher aufgedreht und Sie aufgefordert, die Taipan zu verlassen und in Ihre Boote zurückzugehen. Das müssen Sie verstanden haben, weil es auf Englisch und Somalisch war. Aber Sie haben das nicht gemacht. Daraufhin erteilte Kapitän Lodder den Einsatzbefehl des einen von den zwei Hubschraubern an Bord der Tromp. Sicher ist, dass von Ihnen zu dem Zeitpunkt auf die Tromp geschossen wurde. Von der Tromp wurde daraufhin zurückgeschossen, insbesondere auf die Brücke und die Aufbauten der Taipan - als Feuerschutz für den Hubschrauber. Dann wurde vom Hubschrauber aus geschossen. Sie sollten gezwungen werden, den Hubschrauber nicht angreifen zu können auch während das UIM-Team sich dann in einer sogenannten Fast-Rope-Action abseilte. Dabei stürzte einer der Soldaten und verletzte sich. Er konnte aber weiterlaufen. Von Ihnen wurde zu dem Zeitpunkt nicht mehr zurückgeschossen.
Zunächst haben sich sechs von Ihnen ergeben, dann zwei weitere. Alle acht waren unbewaffnet und leisteten keinen Widerstand. Sie, Herr KD haben den Soldaten mitgeteilt, dass sich noch zwei auf der Brücke befanden und Sie haben dafür gesorgt, dass sie sich auch unbewaffnet ergaben.
Das Ganze hat ungefähr zwei Stunden gedauert. Auch die niederländischen Soldaten haben die Besatzung gesucht. Die Besatzung konnte die Lage außerhalb des Sicherheitsraumes aber nicht einschätzen. Der Zeuge Eggers hat dann einen niederländischen Wortwechsel gehört. Das war ungefähr viereinhalb Stunden, nachdem der Aufenthalt im Sicherheitsraum begonnen hatte.
Es ist auch von Bedeutung, dass Sie ein Schiff beschädigt haben, das einen Wert von mindestens 20 Millionen Euro hatte.
Über die Ladung und den Wert der Ladung wissen wir nichts. Es wurde zum Teil durch Ihren Beschuss, zum Teil durch den Beschuss der niederländischen Marine beschädigt. Darauf kommt es aber nicht an, da es vorher von Ihnen gekapert worden war.